Zur Biografie des Tiroler Volksdichters Sebastian Rieger, alias Reimmichl
Hinter dem Pseudonym Reimmichl verbirgt sich der katholische Priester und Dichter Sebastian Rieger, (geboren 28. Mai 1867 in St. Veit in Defereggen; † 2. Dezember 1953 in Heiligkreuz, Hall in Tirol). Nach dem Gymnasium in Brixen besuchte er dort das Priesterseminar und wurde 1891 zum Priester geweiht. Als Volksdichter veröffentlichte er erste Erzählungen und Geschichten im der Wochenzeitung „Tiroler Volksboten“, deren Redakteur er ab 1897 war. Aus dieser Zeit stammt auch sein Pseudonym: es entstand in Anlehnung an ein damals in Sexten lebendes Original, den „Michl“, einen Schuster, der sich als Geschichtenerzähler hervortat. 1904 hatte er wesentlichen Anteil an der Gründung des Tiroler Bauernbundes: seinem Aufruf folgten tausende von Bauern zur Gründungs-Versammlung in Sterzing. Von 1914 an bis zu seinem Tod wirkte Sebastian Rieger als Kaplan in Heiligkreuz in Hall in Tirol.
Im Laufe seines Lebens verfasste Reimmichl rund 60 Bücher. Seine Romane, Erzählungen und heitere Geschichten erreichten ein Millionenpublikum, sein Gedicht „Tirol isch lei oans“ wurde – vertont von Vinzenz Goller – zur heimlichen Hymne Tirols. Insbesondere am Land waren sein Kalender und seine Bücher äußerst beliebt und leisteten einen wesentlichen Beitrag zur Literarisierung der bäuerlichen Bevölkerung.
Sebastian Rieger gehörte der am Ende des 19. Jahrhunderts entstandenen Christlich-sozialen Partei an und im Fahrwasser des Wiener Bürgermeisters Karl Lueger bediente sich Rieger immer wieder antisemitischer Stereotype, vor allem in seinen Zeitungsartikeln zu innenpolitischen und wirtschaftlichen Fragen. Aber auch im Reimmichl Volkskalender schrieb er 2025: „Wo der Jude hinkommt, zersetzt und verhetzt er alles.“
Anfang der Dreißigerjahre hören Riegers Angriffe auf die Juden auf, gerade zu einer Zeit, als es besonders „modern“ wurde, Juden zu verunglimpfen. War es Einsicht? War es die Ablehnung des aufstrebenden Nationalsozialismus? Wir wissen es nicht. Er hat sich nie dazu geäußert.
Den Nationalsozialismus lehnte Sebastian Rieger grundsätzlich ab, er war auch gegen den Anschluss und trat immer für ein selbstständiges Österreich ein. Im November 1923 hatte Hitler vergeblich versucht, sich an die Macht zu putschen. Eine Notiz dazu im Reimmichlkalender 1925 samt kleinem Hitlerporträt bereitete ihm später, als die Nazis ans Ruder gekommen waren, Kopfzerbrechen, denn er hatte damals pointiert geschrieben: „Der bekannte Hitler, ein Mann, der nicht viel im Kapitolium (Kopf), aber desto mehr auf der Windmühle (gutes Mundwerk) hat, bildet sich ein, er sei berufen, der Retter Deutschlands zu sein.“
Das Gesamtwerk und Erinnerungen an den „Reimmichl“ finden sich im Reimmichl-Museum in Hall in Tirol.